Ein Quartett auf einer etwas anderen Pilztour


04.08.2017 - Friedhof Wismar

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Von links nach rechts: Roland mit Hund, Chris aus Lübeck, Christian aus Wismar und Torsten aus Rehna

Anfang August im vergangenen Jahr (2017) trafen sich vier Pilzverrückte zu einer Pilztour der etwas anderen Art. Ziel war der Wismarer Friedhof. Nein, gestorben ist zum Glück niemand und zum Trauern waren wir auch nicht da. Ganz im Gegenteil, in solchen Biotopen entsteht sogar neues Leben, in Form von Pflanzen und eben auch von Pilzen. Das liegt an dem alten Baumbestand, den man auf alten Friedhöfen vorfinden kann und zum anderen wurden dort in der Vergangenheit Baumarten und Zierhecken angepflanzt, die sonst nicht auf natürliche Art und Weise in Mecklenburg-Vorpommern wachsen würden. Ein ganz wichtiger Punkt ist auch, dass solch ein Biotop regelmäßig gewässert wird und man auch bei anhaltenden Trockenperioden Pilze finden kann. Zudem hat der Wismarer Friedhof noch einen Trumpf für Pilzsammler zu bieten, nämlich guten Boden. Große Teile von Wismar liegen auf lehmigen Geschiebemergel und von einem gewissen Kalkanteil auf einem Friedhof, kann man immer ausgehen. Alles gute Voraussetzungen, dass sich im Hochsommer vier Pilzinteressierte trafen, um dieses Gelände mal genauer unter die Lupe zu nehmen.

 

Vormittags gegen 11:00 Uhr trafen sich nun Torsten, Chris, Roland und Christian auf dem Parkplatz vor dem Eingang. Allzu viel Pilze versprachen wir uns mitten im Sommer nicht, aber wir sollten eines Besseren belehrt werden. Das Wetter war an diesem Tag ganz in Ordnung, welches sich aber an den darauffolgenden Tagen rasch änderte und sich für das dortige Pilzwachstum wie Gift auswirkte, nämlich starker und trockener Ostwind. Wir waren also zur richtigen Zeit, am richtigen Ort. Primäres Ziel war es, den kürzlich gefundenen lilagrauen Nabelrötling (Entoloma incarnatofuscescens) zu fotografieren. Der Weg dorthin, von ca. 100 Meter Luftlinie, wurde durch anhaltende Pilzfunde und dem Fotografieren dieser, zu einer ungefähr 4-stündigen Tour. Während Roland mit seinem Hund etwas spazieren ging und nach Speisepilzen Ausschau hielt, wurde währenddessen der erste 2 mm große Becherling (Leucoscypha semi- immersa) gefunden. Ein paar Bilder, ab in die Dose zum späteren Mikroskopieren und weiter ging es. Entlang unter alten Linden und Eichen blieb der Blick selbstverständlich auf dem Boden. Nicht nur kleine Becherlinge, sondern auch große Pilze wie Röhrlinge gibt es hier, wie z.B. den fahlen Röhrling, den ringlosen Butterpilz, oder auch was Seltenes wie der schwarzhütige Steinpilz, der hier im Vorjahr gefunden worden ist. Neben einem Weg unter einem alten Ahornbaum, umrandet mit Efeu, brach das Pilzfieber erst richtig aus, kleine farbenfrohe Pilze, die das Herz vieler Mykologen höherschlagen lassen. Lachsrosa Keulen (Clavaria rosea), jeder machte sofort Bilder, um dieses Erlebnis in Form eines Fotos festzuhalten. In der Zwischenzeit füllte Roland in Begleitung seines Hundes, sein Körbchen mit einigen Hexenröhrlingen und entdeckte bei dieser Gelegenheit gleich noch ein paar Saftlinge, die sofort für die nächsten Bilder herhalten mussten. Die Zeit lief uns wie Sand durch die Hände und wir beschlossen zielstrebig den gesuchten Rötling anzusteuern. Durch den Fund eines Becherlings (Peziza lividula), einer Lorchel (Helvella elastica) und einer Koralle (amaria abietina) wurden wir erneut kurz aufgehalten. Aber dann, endlich am Zielpunkt angekommen, wurden schnell die Kameras aus den Körben geholt und dabei, wie sollte es anders sein, wurden wieder andere tolle Pilze gefunden. Quietschgrüne Saftlinge (Gliophorus psittacina) und genau daneben wurden erneut kleine rosa Keulen entdeckt. Die Blicke waren wieder geschärft, weitere gelbe Keulen- und schwarze Erdzungen-Arten wurden auf dieser Ecke, unter großen Kastanienbäumen ausfindig gemacht. Mittlerweile hatten wir es Nachmittag, die Speicherkarten und die Dosen waren mehr als gefüllt. Jetzt aber schnell, denn wir wollten noch ein Gruppenbild bei ordentlichem Licht machen. Wir suchten uns eine ruhige Ecke, was auch ohne Verzögerung gut funktionierte, aber auf dem Weg zum Auto wurden wir noch mal durch sehr hübsche Exemplare vom fransigen Wulstling (amanita strobiliformis) abgelenkt. Ein Pilz, der trotz seiner ansehnlichen Größe von bis zu 30 cm nicht oft gefunden wird. Denn dieser, sowie die meisten der gefundenen Pilzarten an diesem Tag, findet man auch auf vielen Roten Listen wieder. Ein schönes Beispiel dafür, dass nicht die Pilze an sich selten sind, sondern dass ihre Lebensräume durch den Menschen versaut und ausgelöscht werden. In Gebieten, wo Bäume alt werden und bestenfalls auch liegen bleiben dürfen, entwickelt die Natur eine einzigartige Tier-, Pflanzen- und Pilzwelt, die die nächsten Generationen nur noch aus Büchern kennenlernen werden, wenn wir Menschen unser Verhalten nicht in absehbarer Zeit zum positiven ändern. Mit diesen letzten und etwas nachdenklichen Worten möchte ich die sehr erfolgreiche Friedhofexkursion 2017 in Wismar beenden.


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