Das Orkantief Zeynep war gerade durchgezogen, mit Windgeschwindigkeiten weit über 100 Stundenkilometern und jeder Menge Regen. Der Wind war abgeflaut, nun kamen noch etliche Schauerstaffeln hinterher. Aber auf dem Regenradar sah es so aus, als sollte es zwischen 16 und 18 Uhr mal zwei Stunden trocken bleiben. Genug Zeit, um in die Pilze zu gehen! Also – schnell eine Verabredung getroffen, und los ging’s.
In die Grauweidengebüsche bei Breesen wollten wir schon lange mal wieder. Hier gibt es jede Menge Totholz, und in so einem milden Februar wie derzeit sollten jede Menge Pilze zu finden sein. 5 Grad plus und ordentlich Wasser - das ideale Pilzwetter für uns, Torsten aus Rehna und Chris aus Lübeck. Wir nehmen euch jetzt mal mit auf unsere kleine Exkursion. Offenbar waren wir heute die ersten, die diesen unbefestigten Weg entlangfuhren, denn mehrmals mussten wir aussteigen, um vom Sturm auf die Straße geworfene Äste und Zweige auf die Seite zu räumen, damit wir passieren konnten. Genau als wir im Zielgebiet ankamen, hörte der Regen auf. Die erste Überraschung allerdings: das gesamte Gehölz stand tief unter Wasser - hier hineinzugehen war unmöglich ... Etwas später fanden wir dann einen nicht überschwemmten Bereich mit reichlich bemoosten und liegenden Stämmen - da würden wir jetzt auf Pilzpirsch gehen!
Unter dem ersten abgelösten Rindenstück eines finalmorschen Stubbens fanden wir allerdings keinen Pilz, sondern einen - Käfer! Und zwar einen ganz schicken: Carabus hortensis, den Garten-Laufkäfer. Nach dem Foto habe ich die Rinde sofort wieder drübergedeckt, damit er seine Winterruhe fortsetzen kann. Auffallend waren allüberall die zahlreichen, durchweg frischen, schön braunen Judasohren (Auricularia auricula-judae), meist an altem Schwarzen Holunder (Sambucus nigra), gelegentlich aber auch an anderen Hölzern.
Auch die Drüslinge laufen bei diesem Wetter zur Höchstform auf. An vielen zumeist liegenden Altholzstückchen, an Zweigen und Stämmen gediehen prächtige Exidia nigricans (Warziger Drüsling). An liegenden Eichenzweigen entdeckte Torsten alsbald Colpoma quercinum, den Eichen-Schildbecherling - allerdings keine frischen Exemplare, sondern vielmehr die schmalen kleinen Rindenspalten, die hier von seiner Existenz zeugen.
Hymenochaetopsis tabacina, der Tabakbraune Borstenscheibling, sieht dem Umberbraunen Borstenscheibling Hymenochaete rubiginosa sehr ähnlich. Letzterer besiedelt aber vornehmlich Eichen, während unser Pilz hier im Grauweidenbruch eine Vorliebe für Weiden und Hasel hat. Insofern lassen sich beide Arten schon durch das Wirtssubstrat unterscheiden. Wie eingangs erwähnt, zeigten sich viele Stämme und Äste großflächig von Moosen überzogen. Eine der häufigeren war hier Brachythecium rutabulum (Gemeines Kurzbüchsenmoos).
An einem liegenden Stück Totholz wuchs ein Schleimpilz bis an das angrenzende Moos heran, nur wenige Millimeter groß. Es sollte sich hier um Badhamia utriculare (Fadenfruchtschleimpilz) handeln. Neben dem überall häufigen Astmoos Orthotrichum affine (Verwandtes Steifblattmoos), an dem wir trotz Nachsuche heute keine Moosbecherlinge fanden...
... entdeckten wir auch seine hübsche Verwandtschaft, Orthotrichum pulchellum, das hübsche Goldhaarmoos. Die Stummelfüßchen, die man hierzulande an liegenden Zweigen häufig findet, gehören meist zur Art Crepidotus cesatii. Um 100%ig sicher zu sein, müsste man den eigentlich mikroskopieren, aber da ich auf toten Ästen und Zweigen noch nie so aussehende andere Crepidotusse gefunden habe, schreibe ich den hier so auf.
Annulohypoxylon multiforme, die Vielgestaltige Kohlenbeere, können - wie der deutsche Name schon vermuten lässt - vielgestaltig aussehen: sie sind rundlich oder länglich, manchmal wachsen einige von ihnen zu unregelmäßigen Krusten zusammen. Im Unterschied zur sehr häufigen Rötlichen Kohlenbeere Hypoxylon fragiforme, die auf Buche spezialisiert ist, wächst unsere Art gerne auf Birken oder Erlen. Immer wieder schick: Fomes fomentarius, der Zunderschwamm, der häufig mächtige Konsolen bildet.
Als wir schon fast am anderen Ende des Waldstücks angekommen waren, fielen uns mehrere Stämme auf, die von unten bis hoch oben übersät waren mit Plicaturopsis crispa, dem Krausen Adernzähling. Auf der Unterseite besitzen sie keine Lamellen, sondern stattdessen gabelig verzweigte, radial verlaufende, am Grund queraderig verbundene Falten. Ebenfalls in diesem Bereich entdeckten wir Panellus stypticus, den Herben Zwerg-Knäueling.
Ein fleckenartig resupinat wachsender Schichtpilz gab seine Identität preis, als ich ihn mit dem Fingernagel ankratzte: Stereum rugosum - Rötender Runzel-Schichtpilz. Der Pilz läuft an verletzten Stellen rot an. Nun waren wir schon fast aus dem Wald heraus, da meinte ich: hier stehen doch so viele alte Haselsträucher, da müsste doch auch angesichts der milden Temperaturen schon langsam Encoelia furfuracea, der Hasel-Kleiebecherling zu finden sein. Ich brauchte nicht lange zu suchen ... aber da es noch früh im Jahr ist, waren die meisten von ihnen noch recht klein und gerade erst aus der Rinde herausgebrochen ...
Noch ein kurzer Blick auf Myxarium nucleata, den Körnchen-Drüsenpilz, für den dieses hier auch das optimale Wetter ist. Man erkennt ihn am besten an den weißen Körnchen im Inneren. Nun ging auch schon die Sonne unter, in nicht zu großer Ferne schien eine neue Schauerwolke aufzuziehen. Es wurde Zeit, zum Wagen zurückzukehren, aber nicht ohne im Vorübergehen noch schnell einen Blick auf schön gewachsene Phellinus igniarius (Gewöhnlicher Feuerschwamm) zu werfen.
Als ich Torsten zu Hause ablieferte, fielen schon wieder Tropfen vom Himmel. Wir hatten die kleine Regenpause optimal genutzt, oder? Schön, daß wir mal wieder „in den Pilzen“ waren! Text und Bilder: Chris Engelhardt
Torsten war dabei und mikroskopierte einige Funde... Eigentlich wollten wir ja in die Grauweidengebüsche im Moorgebiet zwischen Breesen und Nesow, aber die vom Himmel gefallenen Wassermassen setzten unsere Grauweiden unter Wasser. Wie schön für viele Pflanzen, Tiere und Pilze, die lange unter dem Wasserdefizit der letzten Jahre gelitten hatten. So umwanderten wir das bewaldete Moorgebiet. Moorbirken, riesige Holunderbäume, Haselnussbäume, Schlehengebüsche, Eichen und Weißdorne begleiteten uns und boten Pilze in großer Vielfalt. Ein besonderer, weil recht seltener und kleiner Blätterpilz überraschte mich auf einem bemoosten Crataegusast. Ohne mikroskopische Untersuchung ist Hohenbuehelia fluxilis nicht bestimmbar. Markant sofort die zweisporigen Basidien, auffällig unförmige Cheilozystiden und die mit Kristallschopf besetzten großen Metuloide. Kein Wunder, dass der kleine Seitling auch Zweisporiger Muscheling genannt wird. Ein schöner Fund! Auf einem sehr morschen, entrindeten Eichenast konnte Nemania confluens entdeckt werden. Die schwarzen Pusteln werden oft nicht ernst genommen, bleiben unbeachtet und sind somit kaum bekannt. Auf Eichenholz wohl gar nicht so selten. Aber wie immer: OHNE Mikroskop keine Chance. In unmittelbarer Nachbarschaft durchbrachen rötlich-braune Pusteln das noch berindete Eichenholz: Hypocrea rufa zersetzte hier gesellig das Holz und bereitete es vor für den weiteren Stoffkreislauf. Natürlich darf eine Mollisia nicht fehlen. Eine häufige Art auf Eichenästen ist Mollisia lividofusca, nur mit Mikroskop, Lugolscher Lösung und ätzendem KOH zu bestimmen. Vorsicht bei Verwechslung z.B. mit Mollisia cinerea. Die große Überraschung war wie so oft einem Zufall geschuldet. Unter dem Lichtkegel des Binokulars kroch ein Winzling aus dem morschen Holz und der hatte lange „Hörner“ und sechs Beine. Ganz klar, ein kleiner Bockkäfer! Mit wunderschön geschwungenen Fühlern kroch der Geselle durch meine Pilzlandschaft auf morschem Holz. Der 7 mm Käfer hört auf den schönen Namen: Dorniger Wimperbock (= Pogonocherus hispidus). Beim Fototermin war der kleine Bockkäfer artig und so gibt es auch ein Bild. Für mich eine neue Bockkäferart. Es war also wieder eine schöne Exkursion und ich freue mich auf die nächste Tour durch unsere Natur, die voller Überraschungen steckt. Text und Bilder: Torsten Richter